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Antidiskriminierungsstelle

Wir Erinnern an Hanau

Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili-Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu

Am 19.02.2020 wurden in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Es war ein Angriff gegen Menschen, die vom Täter als nicht zugehörig zu unserer Gesellschaft, als fremd, als anders, als verdächtig betrachtet wurden. Nichtzugehörigkeit scheint in Teilen unserer Gesellschaft noch immer auch eine Sache von äußerlicher Andersheit zu sein. Der Täter von Hanau jedenfalls hat sie an Äußerlichkeiten wie Haar- und Hautfarbe festgemacht. Er kannte nicht einen der von ihm ermordeten Menschen. Stereotype, Klischees und Projektionen sind nicht selten auch der Stoff aus dem sich die Fäden von Rassismen in unserer Gesellschaft fortspinnen.

Rassismus beim Namen nennen

Rassismus ist kein neues Phänomen. Die verstörenden Bilder der tödlichen Brandanschläge von Mölln und Solingen, wie auch die pogromähnlichen Übergriffe in Rostock-Lichtenhagen in den 1990er Jahren sind Beispiele für eine Kontinuität, die sich viel öfter aber nicht erst in Gewalttaten gegenüber einer als „migrantisch“ gelesenen Bevölkerung zeigen. Rassismus stellt für einen großen Teil von Menschen unserer Gesellschaft eine tägliche, eine Alltagserfahrung, dar. Zwischen diesen und jenem gibt es lose und feste Zusammenhänge.

Die Vorsitzenden des Rats für Migration betonten darum am 21.02.2020: „Hanau. Es wird höchste Zeit, Rassismus beim Namen zu nennen und angemessen dagegen vorzugehen.“ Am 26.02.2020 schrieb die Wochenzeitung Die Zeit: „Deutschland hat ein Rassismusproblem“ und gab deren Leser*innen die Erfahrung von 142 Betroffenen zu lesen, die in ihren Darstellungen von ihren jeweiligen Rassismuserfahrungen berichteten. 

Zwei Jahre nach dem Anschlag in Hanau verzeichnen wir jedoch, dass die Tat und die ihr zugrundeliegenden Zusammenhänge medial und politisch wieder ins Vergessen geraten. "Rassismus ist ein Gift“ wurde von politischen Repräsentant*innen gesagt, der Täter wurde zudem als ein psychisch kranker Mensch und das Problem entsprechend als etwas Psychologisches identifiziert. Auch dies hat eine irreführende Kontinuität. Rassistische Einstellungen als fehlerhafte Wahrnehmung verirrter Einzelner zu bestimmen, hat eine Tradition, die in die Irre führt, weil auf diese Weise gesellschaftlich bedingte Zusammenhänge auf individuelle Ursachen zurückgeführt werden. Rassistische Vorstellungen und Empfindungsbereitschaften sind, wie der Rat für Migration in seiner Stellungnahme formuliert, tief in der Alltagswelt unserer Gesellschaft verwurzelt und auch durch entsprechende politische und kulturelle Diskurse geprägt.

Mit dem Blick auf das Gewöhnliche, können wir die Herkunft des Extremen verstehen

Wir erinnern an Hanau. „Du sprichst es Erinnern aus als würdest du Entrinnen meinen“, sagt die Poetry-Slamerin Tanasgol Sabbagh in ihrem Gedicht zu Hanau. Wenn wir Hanau ohne entrinnen zu wollen gedenken möchten, müssen wir in diesen Zusammenhang hineinschauen, in unsere alltäglichen Selbstverständnisse, in unsere Selbst-, Fremd- und Weltbilder. Denn in unseren gewöhnlichen weil gewohnten und uns entsprechend so oft wie selbstverständlich erscheinenden gesellschaftlichen Anschauungen und Redeweisen, können sich auch die Grundlagen für rechtsextreme Anschauungen verstecken. Diese Verstecke im Gewöhnlichen sind uns oftmals nicht bewusst.

Erst wenn wir uns unseren Selbst-, Fremd- und Weltbildern zuwenden, sie prüfen und in eine verantwortliche gesellschaftliche Auseinandersetzung eintreten, können wir Rassismen in unserer Gesellschaft allmählich die Legitimationsgrundlage entziehen.

In diesem Sinne begrüßen wir, dass sich nun kurz vor dem zweiten Jahrestag des rassistischen Anschlags der Bundestag im Rahmen einer Aktuellen Stunde mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus befasst und das Bundesinnenministerium noch vor Ostern einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorlegen will.

Wir GEDENKEN der Opfer der rassistischen Morde in Hanau am 19. Februar 2020.

– Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili-Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu – sowie seine Mutter Gabriele Rathjen.

 

Wir TRAUERN.

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