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Jugendamt Wuppertal

Alkohol und Schwangerschaft

„Die statistisch gefährlichste Situation im Leben eines Menschen ist die Geburt“; diesen Satz sagte Professor Schmalohr im Fach Entwicklungspsychologie an der Uni Wuppertal und ich erinnere mich noch gut daran. Wovon ich im Studium überhaupt nichts gehört habe sind die Gefährdungen, die durch toxikologische Einflüsse während der Schwangerschaft entstehen (können). Beeinträchtigungen und Schädigungen können dabei eine ziemliche Bandbreite aufweisen: im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit und im Hinblick auf Ausprägungsgrade (Intensität und Dauer). Man muss sich das – wie bei Persönlichkeitsstörungen auch – als Kontinuum vorstellen, quasi von der diskreten Beeinträchtigung hin zu maximalen gesundheitlichen Problemen (schwere Verhaltensstörungen, schwerere körperliche Erkrankungen, z.B. Herz, Niere, Diabetes).

 

Nun mag sich der ein oder andere vielleicht besorgt fragen: wie war das eigentlich bei meinem eigenen Kind? Wurde da Alkohol getrunken bis z.B. durch den Schwangerschaftstest klar wurde, dass eine Schwangerschaft vorliegt? Und was könnte das bedeuten? Ich selber habe diese Frage recherchiert. In einem Ärzteblatt konnte ich sinngemäß dazu lesen, dass es in der ganz frühen Phase der Schwangerschaft so was gibt wie ein Alles-oder-Nichts-Prinzip. D.h., eine Schwangerschaft käme bei schweren Belastungen, wie z.B. durch Alkohol, dann erst gar nicht zustande. Ich folgere aber auch daraus: wer schwanger werden will, sollte am besten weitgehend auf Alkohol verzichten.

 

Aber nun zum Thema:

 

Lebenslange Folgen beim Kind sind aufgrund der toxikologischen Einflüsse während der Schwangerschaft also möglich. Es gibt übrigens auch Aufsätze, die thematisieren, dass Drogenkonsum dem Alkoholeinfluss ähnliche Wirkungen und (Spät-)Folgen haben kann; jedoch erschienen mir die Befunde dazu nicht zwingend überzeugend zu sein. Für uns reicht es erst mal, dieses Problemfeld zu kennen.

 

Nicht selten werden für betroffene Minderjährige und Junge Erwachsene Hilfen notwendig werden, die dann den Sozialen Gesetzbüchern II, III (berufliche Reha), V (Krankenkassenleistungen, medizinische Reha) bzw. VIII und XII (ebenfalls als Reha-Träger) zugeordnet werden können.

 

Als Jugendamt kann man also mit dem Thema zu tun bekommen - oder mehr noch: die Wahrscheinlichkeit dürfte sogar außerordentlich hoch sein. Von einer Dunkelziffer ganz zu schweigen. Was Häufigkeiten anlangt gibt es einen ganz guten Spiegel-Artikel, der von einem erschreckenden Alkoholkonsum schwangerer Frauen berichtet:

 

Spiegel-Artikel (Öffnet in einem neuen Tab)

 

Im Bereich der Diagnostik gibt es seit wenigen Jahren eine sog. diagnostische Leitlinie, die vor allem auf äußere Merkmale abhebt (vor allem im Zusammenhang mit dem Kopf, aber es gibt auch mögliche Kleinwüchsigkeit oder Organschädigungen). Da neben derartigen Merkmalen den Arzt auch anamnestische oder mehr noch fremdanamnestische Angaben auf die Verdachtshypothese „FAS“ (Fetales Alkoholsyndrom) bzw. „pFAS“ (Partielles Fetales Alkoholsyndrom) bringen, sind Informationen für Diagnostiker an der Stelle von besonderer Bedeutung. An einer Leitlinie, die psychische Aspekte in den Blick nimmt, wird gearbeitet. Das Problem dabei ist, dass die seelischen Probleme meist unspezifischer Natur sind, wie Aufmerksamkeit und Konzentration, Ausdauer, Aggressionen, Sozialverhalten und anderes. Diese seelischen Probleme kommen in allen möglichen Kontexten vor. Für weitergehend Interessierte: hier der Link zu der diagnostischen Leitlinie, die es in einer Lang- und in einer Kurzversion gibt:

 

Diagnostische Leitlinie (Öffnet in einem neuen Tab)

 

Die Abgrenzung zwischen SGB VIII und SGB XII kann durchaus schwieriger sein. Grundsätzlich gilt: seelische Probleme – also vor allem Sozialverhalten, emotionale Besonderheiten – sind dem SGB VIII zuzuordnen. Es stellen sich eine Menge sozialrechtlicher Fragen in der Praxis der Jugendamtsarbeit. Eine wirklich lesenswerte Broschüre, die auch einen insgesamt instruktiven Charakter hat, wurde von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vorgelegt. Es finden sich in dieser Broschüre auch sehr gute und kurze Zusammenfassungen zum Thema Alkoholspektrumsstörungen. Machen Sie das, wenn Sie mit diesem Personenkreis (potentiell) zu tun haben, zu ihrer Pflichtlektüre:

 

Broschüre Drogenbeauftragter Bundesregierung (Öffnet in einem neuen Tab)

 

Wer sich vertiefter mit dem Thema beschäftigen möchte, dem seien auch noch folgende Links empfohlen:

 

Faskinder Folgen (Öffnet in einem neuen Tab)

Fetales Alkoholsyndrom (Öffnet in einem neuen Tab)

Tagesklinik Walstedde (Öffnet in einem neuen Tab)

 

Als wir damals die Orientierungshilfe : „Geboren in Wuppertal“ und „Schwangerschaftsheft“ konzipiert haben, haben wir dem Thema „Alkohol und Schwangerschaft“ ein extra Kapitel gewidmet. Schauen Sie dort auch gerne noch einmal rein. Die liebevollen Graphiken, für die wir uns damals entschieden, machen mir immer noch Spaß – Ihnen vielleicht auch:

 

Orientierungen von 'Geboren in Wuppertal' (Öffnet in einem neuen Tab)

 

Zum Schluss noch eine absolut erstaunliche und einmalige interaktive Graphik. Bitte nehmen Sie sich etwas Zeit für die Erkundung der Funktionen, es lohnt sich.

 

Interaktive Grafik (Öffnet in einem neuen Tab)

 

Vermuten Sie aber nun bitte nicht hinter jedem Fall eine derartige Problematik, und vor allem: Zurückhaltung mit Verdachtsdiagnosen. Unsere Baustelle ist eine andere, wir betreiben sozialpädagogische Diagnostik, d.h. wir beschäftigen uns z.B. mit den funktionalen Auswirkungen von Diagnosen im Sinne von Teilhabe. Aber immer wird es uns helfen, über das Thema informiert zu sein – und den Klienten möglicherweise auch.

 

Ich hoffe, ich konnte Ihnen etwas Interessantes zu diesem wichtigem Thema vermitteln.

 

Klaus Pütter, Fachbereichsleiter „Kinder- und Jugendhilfe“

Herr Klaus Pütter
Fachbereichsleiter/in

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Stadt Wuppertal

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