Wie können Jugendliche künftig noch gezielter und wirksamer auf ihrem Weg in die Berufswelt unterstützt werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Veranstaltung „Was brauchen Jugendliche wirklich zur beruflichen Orientierung?“, die am 30. Oktober an der Bergischen Universität Wuppertal stattfand. Grundlage der Diskussion waren zwei Schülerbefragungen, die von der Kommunalen Koordinierung Wuppertal (KoKo), Bergischen IHK und der Bergischen Universität Wuppertal und durchgeführt wurden.
Unter den rund 130 Teilnehmenden befanden sich neben Ausbildungsleitern, Lehrkräften und Vertretungen aus der Verwaltung auch Schuldezernentin Annette Berg, Uni-Rektorin Prof. Dr. Birgitta Wolff, Eva Platz, Vorständin der Wirtschaftsförderung Wuppertal, sowie IHK-Präsident Henner Pasch.
Viele Angebote – aber nicht alle erreichen die Zielgruppe
Die erste vorgestellte Studie der Kommunalen Koordinierung Wuppertal untersuchte die Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I. Befragt wurden 470 Jugendliche aller Schulformen, hauptsächlich aus der zehnten Klasse.
Erfreulich ist, dass 63 Prozent der Jugendlichen bereits eine konkrete Vorstellung von ihrem späteren Beruf haben. Auffällig ist jedoch der Unterschied zwischen den Schulformen: Jede zweite Schülerin bzw. jeder zweite Schüler am Gymnasium weiß noch nicht, wohin der Weg führen soll – vermutlich, weil dort mehr Zeit bis zum Abschluss bleibt.
Ein zentrales Hemmnis bei der Orientierung stellen Sprachbarrieren im Elternhaus dar. In 42 Prozent der Familien wird zu Hause nicht Deutsch gesprochen, zugleich bleiben Eltern für 71 Prozent der Jugendlichen die wichtigste Ansprechperson in Berufsfragen. Hier will die KoKo künftig stärker mit dem Kommunalen Integrationszentrum zusammenarbeiten, um Informationen auch sprachlich und kulturell besser aufzubereiten.
Über die Hälfte der Jugendlichen (55 Prozent) informiert sich im Internet über Berufsfelder, 59 Prozent betreiben eigene Recherchen. 48 Prozent nennen Klassenlehrkräfte, 33 Prozent Lehrkräfte für Berufsorientierung, und nur 18 Prozent greifen auf Angebote der Berufsberatung (BA/JC) zurück.
Obwohl es in Wuppertal vielfältige Angebote gibt – von der großen Ausbildungsbörse bis zu individuellen Formaten wie dem Schülerfrühstück –, kennen viele Jugendliche diese nicht. Grund dafür ist ein „Kommunikationsfilter“ über die Lehrkräfte, die Informationen unterschiedlich weitergeben. „Wir müssen die Lokalität der Angebote stärker hervorheben – das ist der Mehrwert, den wir bieten können“, betonte Projektleiterin Elke Stapff.
Deutlich wurde, dass Jugendliche sich mehr praktische Einblicke wünschen: 69 Prozent möchten mehr Praktika absolvieren, 39 Prozent wünschen sich persönliche Kontakte in Betriebe.
Lehrkräfte im Publikum betonten, dass es bereits viele Angebote gebe. Sie würden sich wünschen, dass Unternehmen häufiger in die Schulen kämen, da dies von der Organisation einfacher wäre. Unternehmensvertreter kritisierten, dass sie schon sehr engagiert seien und nicht noch weitere Aktionen anbieten könnten, da dies auch Ressourcen koste. Zudem sei die Vorbereitung der Schüler häufig unzureichend sei. Hier prallten unterschiedliche Perspektiven von Schule und Wirtschaft aufeinander.
Soziale Medien spielen in der Freizeit der Jugendlichen eine große Rolle – TikTok (57 %) und Instagram (43 %) werden häufig genutzt. Für berufliche Informationen hingegen bevorzugen sie weiterhin Lehrkräfte (60 %), E-Mail (55 %) und Internetrecherche (50 %). Social Media wird also vor allem privat, weniger zur Orientierung eingesetzt.
Nur 28 Prozent der Befragten planen unmittelbar nach der Schule eine Ausbildung. Über die Hälfte strebt das Abitur an. Hauptmotive bei der Berufswahl sind ein hohes Einkommen (55 %), Freizeit (35 %) und abwechslungsreiche Tätigkeiten (31 %).
Studie der Kommunalen Koordinierung
Zweite Studie: Studium statt Ausbildung
Die zweite Befragung, vorgestellt von Prof. Dr. Claudia Schuchart von der Bergischen Universität Wuppertal, richtete sich an Schülerinnen und Schüler in den Abschlussklassen der Sekundarstufe II. Auch hier zeigt sich ein klarer Trend: Mehr als die Hälfte möchte studieren, während nur 21 Prozent der Jungen und 14 Prozent der Mädchen eine Ausbildung anstreben. Über ein Viertel plant ein Gap Year, also quasi ein Überbrückungsjahr nach der Schule.
Eltern spielen in dieser Altersgruppe nur noch bei 35 Prozent eine wichtige Rolle als Ratgeber. Stattdessen gewinnen Lehrkräfte und digitale Informationsquellen an Bedeutung. Gleichzeitig kritisierten viele Befragte, dass vorhandene Angebote zur Berufsorientierung zu wenig auf ihre individuellen Interessen zugeschnitten seien.
Ein interessanter Ansatz: Viele Jugendlichen gaben an, einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachzugehen oder nachgehen zu wollen. Auch die KoKo Wuppertal bekam schon häufig die Rückmeldung, dass es Schülerinnen und Schülern wichtig sei, mit ihrer Berufswahl der Gesellschaft etwas zurückzugeben, etwas Gutes zu tun. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, die Berufsorientierung stärker an Themen wie Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und grüne Berufe anzuknüpfen.
Wie genau die beteiligten Institutionen die Ergebnisse in zukünftige Maßnahmen umsetzen, wird sich zeigen. Schuldezernentin Annette Berg betonte abschließend: „Diese Ergebnisse haben einen hohen Aufforderungscharakter. Wir müssen unsere Ressourcen richtig einsetzen, um die jungen Menschen mitzunehmen.“