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WuppertalKultur & Bildung

Die Frauenrechtlerin Helene Stöcker (1869-1943)

Die Frauenrechtlerin Helene Stöcker (1869-1943)

Zwei Damen, eingehakt, in langen Röcken, lustwandeln durch einen Park. Offenbar haben sie sich viel zu sagen. Es sind ja auch keine Männer dabei, die ihre traute weibliche Zweisamkeit, ihre Frauengespräche, stören könnten. Die beiden Frauen sehen sich ähnlich, zumindest die Nase, das Kinn und der Gesichtsausdruck, selbst die Form der Schultern und die Körperhaltung, weisen gewisse Übereinstimmungen auf. Vielleicht ist die Dame links ein wenig älter. Sind sie Schwestern, Cousinen? Nein, die Dame links hat sich nur gut gehalten. Es ist die Mutter der anderen. Beide schauen selbstbewusst, fast herausfordernd oder belustigt in die Kamera. Wir schreiben ca. das Jahr 1901.

 

Eine der beiden Damen ist bekannt, es ist quasi die Alice Schwarzer des 19. Jahrhunderts: Die Frauenrechtlerin, Vor- und Querdenkerin, Sexualreformerin und Pazifistin Helene Stöcker, daneben ihre Mutter Hulda, geb. Bergmann. Helene Stöcker wurde am 13. November 1869 in Elberfeld geboren. Ist es ein Zufall, dass Alice Schwarzer ebenfalls in Wuppertal-Elberfeld zur Welt kam, allerdings 73 Jahre später, aber nur zweieinhalb Monate vor dem Tod von Helene Stöcker, als wäre sie geboren worden, um das Lebenswerk von Helene Stöcker weiterzuführen?

 

Woher rührte Helene Stöckers Motivation zur Rebellion gegen die traditionelle Rolle der Frau? Das streng calvinistische Elternhaus, das ganze religiös bestimmte bürgerliche Alltagsfamilienleben wurde Helene Stöcker zu eng. Diesem auch für sie vorbestimmten Weg wollte sie entfliehen. Nach heftigen Disputen mit den Eltern setzte sie bei ihnen die Zustimmung zum Studium durch.

 

Sie landete in Berlin, wo sie sich mit einer Lehrerinnenausbildung die Zugangsvoraussetzung zum Hochschulstudium sicherte. Nur so wurden Frauen ab 1896 in Preußen als Gasthörerinnen an der Universität zugelassen. Helene Stöcker war dabei. Sie studierte Philosophie, Nationalökonomie, Kunst- und Literaturgeschichte, nachdem sie sich schon vorher mit den Werken großer Pazifisten und Philosophen, vor allem Friedrich Nietzsches, befasst hatte. Einen akademischen Abschluss konnten Studentinnen in Preußen noch nicht erwerben. Also musste Helene Stöcker ins Ausland gehen und konnte 1901 in Bern als eine der ersten deutschen Frauen promovieren.

 

In Berlin hatte sich Helene Stöcker bereits in der Frauenbewegung engagiert. Nach ihrer Promotion zog sie wieder nach Berlin zurück und widmete sich hier mit großem Schwung emanzipatorischen Themen: Neudefinition der Beziehung von Mann und Frau jenseits bürgerlicher Konventionen, Berufsmöglichkeiten für Frauen auch bei Kinderwunsch, Linderung der Not unehelicher Mütter. Dazu gründete sie 1905 den „Bund für Mutterschutz“, in dem auch Männer mitwirken sollten. In der Zeitschrift des Bundes veröffentlichte Helene Stöcker Beiträge, die Wellen der Empörung auslösten. Sie trat ein für freie sexuelle Entfaltung von Mann und Frau, auch außerhalb der Ehe, wandte sich gegen das Abtreibungsverbot, gegen das Verbot homosexueller Beziehungen usw. Sie war also ihrer Zeit weit voraus, denn hatte dafür nicht auch Alice Schwarzer in der Frauenbewegung der 1960er und 1970er Jahren gestritten?

 

In ihren privaten Beziehungen hatte Helene Stöcker wenig Glück. Die - nichteheliche - Verbindung zu dem Philosophen Dr. Alexander Tille um die Jahrhundertwende war mit ihren Idealen einer quasi gleichberechtigten Mann-Frau-Beziehung doch überfordert, auch ihre Beziehung zu dem Rechtsanwalt Dr. Bruno Springer, mit dem sie bis zu dessen Tod 1932 auch unehelich zusammenlebte, war eine schwierige Kiste.

 

Mit dem Ersten Weltkrieg wurde ihr Weltbild nochmal erschüttert. Die Schrecknisse des Krieges trieben sie in den Pazifismus, sie wurde zu einer wichtigen Persönlichkeit in der Friedensbewegung. Auf ihrer abenteuerlichen Flucht vor den Nazis gelangte sie schließlich 1941 in die USA, wo sie am 24. Februar 1943 in New York in Armut an Krebs verstarb. Wer in Wuppertal am Haspel am Ufer der Wupper flaniert, wird auf ihren Namen stoßen, denn ein Schild zeigt an, dass man auf dem Helene-Stöcker-Ufer wandelt…

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